Dienstag, 24. Juni 2008

Durch Warschau mit Mrs. Finkler

Mensch da ist mir ja was Erzählenswertes passiert. Am letzten Freitag im Jüdischen Historischen Institut habe ich einer älteren Dame aus Amerika geholfen sich im Institut zurecht zu finden und gleichzeitig versucht die Routine und minimale Unfreundlichkeit der anderen Mitarbeiter ihr gegenüber zu überbrücken. Frau Finkel, so ihr Name, war bei uns auf der Suche nach Informationen über ihre Familie. Sie stellte aber auch sehr viele Frage generell über den Holocaust, einige davon sehr naiv*, und spezifisch über das Warschauer Ghetto, was zu einem Gewissen Unmut im Archiv geführt hat. Immerhin sind wir ja nicht die 0815-Geschichts-Auskunft sondern darauf spezialisiert Daten aufzustöbern. Nun gut, ich bin trotzdem mit ihr ins Gespräch gekommen- übrigens aufgrund der dreisten Frage seitens einer Mitarbeiterin an Mich, warum denn „Ihr Deutschen so viele Juden umgebracht hat“. Nun gut das Ganze war ein kleines Missverständnis, man wollte mich nur heranziehen um nicht alleine mit der redseligen Dame sprechen zu müssen. Mir war das aber ganz lieb und als sie mir dann auch noch eröffnete, dass sie alleine in Warschau sei und ihre Kontaktpersonen nicht zu erreichen seien, habe ich ihr kurzerhand angeboten ihr Warschau zu zeigen. Und das war ein Treffer voll ins Schwarze, wir haben echt ne gute Zeit miteinander gehabt.
Es stellte sich heraus dass sie selbst als kleines Kind im Warschauer Ghetto leben musste, danach nach Ravensbrück kam und schließlich befreit wurde. Ursprünglich kam ihre Familie aus Lublin und ihr Großvater war der letzte, recht bekannte Rabbi, der in der berühmten Thalmudschule in Lublin lehrte bevor die Nazis kamen. Aber nicht nur ihre Vorfahren waren interessant, sondern auch sie selbst. Sie uns ihre Mutter sind nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert und seitdem lebt sie dort in North Carolina und arbeitet als Proffesorin an der Uni North Carolina als äh, nun ja ihre Fachrichtung war etwas speziell. Soweit ich mich erinnern kann, lehrt sie die unterschiedlichen Herangehensweisen und Schulen der Medizin verschiedener Kulturen.
Am Freitag habe ich mich nach meiner Bandprobe mit ihr getroffen und sind durch die Stadt gelaufen, ich habe ihr die Synagoge gezeigt und anschließend hat sich mich ins Restaurant eingeladen. In ein jüdisches. Dort haben wir jüdische Spezialitäten gegessen die sowohl exotisch als auch sehr lecker waren. Am Samstag habe ich dann mit ihr eine sechsstündige Ghettoführung gegeben. Jetzt natürlich die Frage warum braucht Sie solch eine Führung? Nun, sie war zu der Zeit ein kleines Kind, floh recht frühzeitig dank fremder Hilfe aus dem Ghetto und hat sich bis vor kurzen so wenig wie nur möglich mit dem Holocaust beschäftigt. Auch ihre Mutter die früher immer Polnisch sprach verweigerte fortan diese Sprache. Zur kurzen Erklärung- es ging nach der Flucht aus dem Warschauer Ghetto gleich in ein anderes Getto in der Nähe von Lublin. Nun, ich konnte ihr viel Hintergrundinformationen geben und sogar das Gebiet ihres alten Hauses zeigen. Zugegebenermaßen war es recht komisch einem direktem Opfer die Zahlen und Abläufe zu nennen. Zumal die Trauer da ein viel höheren Stellenwert besitzt, immerhin litt ihre Familie direkt dort und verlor viele Mitglieder.
Die Führung verlief recht reibungslos, immerhin habe ich ja schon vorher diese auf Englisch durchgeführt. Sechs Stunden hat es gedauert, da wir a sehr langsam gelaufen sind und b anderseits sie sehr interessiert war. Ich habe auch alte Bilder dabeigehabt, die einen sehr großen Eindruck auf sie gemacht haben. Zum Schluss haben wir noch die Emailadressen ausgetauscht. Ich habe eine Einladung nach Amerika bekommen und ich habe ihr versprochen mich um Fotoaufnahmen ihres Geburtshauses in Lublin in einer echt bekannten Straße des jüdischen Viertels zu bemühen. Diese habe ich ja lustigerweise letztes Wochenende in Lublin gesehen. Ich bin mal gespannt ob das klappen wird. Rückblickend war das echt eine spannende Zeit mit ihr, wir hatten echt viel zu bereden!

*Trotz alles Respekts ihr gegenüber, für den freien Journalismus hier ein Schmankerl einer ihrer Fragen: Polen leben ärmlicher….blablabla…. Und haben Die denn Heizungen in den Wohnungen?.... –Köstlich-

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