Erfahrungsbericht
Erasmus in Istanbul 2011/12 an der Marmara Universität
Humanmedizin
Ich bin Alex., 24 Jahre alt und studiere normalerweise
Medizin an der Uni Bonn. Ich habe mich entschieden für ein Jahr nach Istanbul
zu fahren um dort ein Jahr lang im Rahmen des ERASMUS-Programmes zu studieren. Eine
gute Entscheidung!
Vorbereitet wurde das ERASMUS-Jahr recht gut durch unsere medizinische
Fakultät. Man hat sich beworben, viele Formulare ausgefüllt und seine
Motivation dargelegt. Dazu habe ich an der Uni noch einen Türkisch-Kurs
absolviert.
Ich bin im September in Istanbul angekommen und bin erst mal für die ersten
Tage bei einem Kumpel in seiner Wohnung untergekommen. Mein erstes Ziel war es
mir eine Wohnung zu suchen in Kadiköy. Für Kadiköy habe ich mich entschieden
weil es zwischen meiner recht weit liegenden Uni und dem pulsierenden Zentrums
des europäischen Teils lag. Nebenbei ist Kadiköy ein nettes sauberes Viertel
mit Kneipen und jeder Menge Studenten. Nach zwei Tagen intensiver Suche per
Internet (craigslist) habe ich eine nette Bleibe gefunden in dem ich mein
ganzes Jahr gelebt habe mich drei weiteren ERASMUS-Studenten aus England,
Belgien und Tschechien. Ich hatte echt Glück mit meinen Mitbewohnern, wir haben
uns gut verstanden und viel miteinander gemacht.
Das Studium an meiner Uni hat mir sehr gut gefallen. Als Medizinstudent im
höheren Semester kommt man allerdings nicht in den Genuss einen studentischen
Campus zu besuchen, sondern man muss mit einem weit entfernten Krankenhaus
vorlieb nehmen. Der Standort war auch der große Nachteil. Wir mussten uns jeden
Tag pro Strecke eine Stunde durch den zähen Verkehr der Millionenmetropole
Istanbul wälzen. Das Krankenhaus lag in einem recht armen aber interessanten
Bezirk Istanbuls, Pendik, direkt neben dem Flughafen Sabiha Gökcen. Unsere
Mitstudenten waren alle sehr freundlich und haben uns großartig aufgenommen und
hatten großes Interesse an uns. Türkische Gastfreundschaft! Es musste immer
viel Zeit am Campus verbracht werden da das türkische System sich nicht so
stark an Stundenplänen hält. Die Wartezeit haben wir jedoch gut mit türkischen
Tee und Kommilitonen überbrücken können.
Der Unterricht hat zu 80% auf Englisch stattgefunden, die
Patientengespräche waren aber selbstverständlich nur auf Türkisch zu meistern
oder der Hilfe unserer Türkischen Mitstudenten.
Die Qualtät der Lehre hat mir gut gefallen, ich glaube ich habe vieles
gelernt an der Marmara Universität.
Was habe ich alles in der Freizeit getrieben? Nun, Istanbul ist wirklich
eine riesige Stadt in der alles möglich ist. Man ist permanent auf Achse,
trifft Leute, steckt im Stau, trifft wieder Leute, geht zum Sprachkurs, geht
auf Parties und wechselt mehrmals am Tag den Kontinent per Fähre. Ich erinnere
mich an ein sehr sehr intensives Jahr mit wenig Schlaf und wunderbaren
Eindrücken. Mein Freundeskreis bestand im ersten Semester größenteils aus
ERASMUS-Studenten, im zweiten Semester dann aber mehr aus Einheimischen, allein
aufgrund der besseren Sprachmöglichkeiten. Leute konnte man immer leicht
treffen, dauernd gab es irgendwelche Konzerte oder Treffen. Mal wurde in Moda
gekocht, im Cihangir im Park gesessen und später auf der Istiklal gefeiert. Oder
wir sind einfach per Fähre zu den nahen Inseln geschippert und haben uns am
Strand erholt. Sport habe ich in Istanbul außer tanzen fast nichts gemacht. Dafür
umso mehr Trompete gespielt. Ich habe mehrere Bands gefunden in denen ich ab
und zu mitgespielt habe. Die Musikszene in Istanbul hat mir sowieso sehr
gefallen und überarrascht. Von türkischer traditioneller Musik über Electro bis
zu türkischem Ska gibt es alles, ich habe es nicht für möglich gehalten!
Zu meiner Freizeit gehören sicherlich auch die Reisen dich ich in der
Region unternommen habe. So habe ich einen Monat in Israel verbracht und habe
dort das Land bereist und gleichzeitig eine Famulatur absolviert. Sehr
empfehlenswert für Medizinstudenten und ein unheimlich interessantes Land. Mit
einem Freund vom Sprachkurs sind wir auch im Süden der Türkei gereist (Hatay,
Gaziantep, Mersin, Zypern). Zum Schluss habe ich noch den Osten der Türkei in einer
dreiwöchigen Tour bereist und habe so noch eine völlig andere Türkei
kennengelernt: völlig menschenleer, sehr konservativ, politisch aufgeladen und
fast noch gastfreundlicher und herzlicher.
Fazit?! Macht es! Mir hat es sehr gut
gefallen, die Türkei ist ein tolles Land. Besonders für uns Deutsche ist eine
interessante Destination um besser um unsere türkischstämmigen Mitbürger
verstehen zu können.
Mein bestes Erlebnis? Fang ich mit dem schlechtesten an. Ganz ehrlich, viel
schlechtes hab ich nicht erlebt. Nur der Nationalismus mancher Türken hat mich
geärgert, aber das war nur eine Randerscheinung einer Minderheit an meiner
Universität.
So, jetzt zum besten Erlebnis. Vielleicht die Einladungen meiner türkischen
Freunde zu ihren Familien bei denen ich zu Gast war, herzlichst und wie ein
Freund bewirtet wurde. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt, sowohl
kulinarisch als natürlich auch von den Gesprächen in denen wir viel über unsere
Kulturen und Leben ausgetauscht haben.
Und zu nennen ist auf jeden Fall auch die Energie die in Istanbul und
seinen Bewohnern steckt und zu jeder Zeit auf den Straßen zu platzen scheint. Wahnsinn!
Dagegen wirkt sogar Berlin dörflich.
Tipps:
·
Lernt die Sprache, je mehr ihr könnt desto besser wird
euch das Jahr gefallen
·
Bereist auch das Hinterland der Türkei (Reiseführer
Lonely Planet ist gut)
·
Schlaft euch aus bevor ihr in die Türkei reist! J
Den Rest findet ihr selber viel besser heraus, die Einheimischen fragen,
die kennen sich eh am besten aus!